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Fragiles X-Syndrom

Fragiles X-Syndrom (fra(X), FRAXA, Marker X-Syndrom, Martin-Bell- Syndrom, OMIM 309550) Fragile X Premutation Related Tremor/ Ataxia Syndrome (FXTAS, OMIM 300623) Premature Ovarian Failure (POF1, OMIM 311360)

Fra(X) zählt mit dem Down-Syndrom zu den häufigsten genetischen Ursachen geistiger Behinderung. Beim Vollbild der Erkrankung liegen auch charakteristische körperliche Symptome vor, die einen ersten Hinweis zur Diagnose liefern. Diese beinhalten eine typische Facies mit einem eher längeren Gesicht, prominenter Stirn und Kinn sowie große Ohren. Auch Symptome aus dem Bindegewebsspektrum wie Gelenksüberbeweglichkeit oder eine zarte Hauttextur sind beschreiben. Besonders post-pubertär liegt oft eine Vergrößerung des Hodenvolumens vor. Verhaltensauffälligkeiten u.a. aus dem Autismusspektrum sind häufig. Die Verdachtsdiagnose lässt sich dann molekulargenetisch bestätigen bzw. ausschließen.

Die für fra(X) verantwortliche Genveränderung ist eine Verlängerung eines Trinukleotid-Repeats (Wiederholte Abfolge des Nukleotid-Tripletts CGG) im FMR1-Gen auf dem X-Chromosom auf über 200 Wiederholungen. Bei einer mäßigen Expansion von 55 bis zu etwa 200 Tripletts liegt eine sogenannte Prämutation vor. Trägerinnen einer Prämutation zeigen keine Symptome eines klassischen fra(X). Bei der Weitergabe an die nächste Generation kann durch eine Instabilität des Repeats in der mütterlichen Keimbahn zum Expandieren der Prämutationen (<200 Tripletts) zu einer Vollmutation mit mehr als 200 Tripletts kommen. Dies geht mit einer Methylierung des Gens und in der Folge einem Funktionsverlust einher. Selten werden auch andere Veränderungen (Deletion) des FMR1-Gens berichtet, welche zum Funktionsverlust führen.

Da von dieser FMR1-Mutation das X-Chromosom betroffen ist, das in männlichen Zellen nur in einer Kopie vorliegt, wirkt sich bei Buben bzw. Männern das Fehlen des Genprodukts vom mutierten X schwerer aus als bei weiblichen fra(X)-Patientinnen, deren zweites nicht mutiertes X diesen Mangel teilweise oder vollständig kompensieren kann.

Diese komplexen Zusammenhänge werden bei der genetischen Beratung ganz genau erklärt. Gegebenenfalls wird man das individuelle Vererbungsrisiko berechnen, Möglichkeiten und Grenzen pränataler Diagnostik besprechen und Familien mit betroffenen Kindern beim Umgang mit der Erkrankung unterstützen.

Außer als mögliche Vorstufe zu einer fra(X)-Vollmutation ist der genetische Status einer fra(X)-Prämutation im Zusammenhang mit zwei klinischen Krankheitsbildern im Erwachsenenalter bedeutsam:

  • Vom fragile X Premutation Related Tremor / Ataxia Syndrome (FXTAS), einer progressiven neurodegenerativen Erkrankung, sind männliche Prämutationsträger öfter betroffen als weibliche, wobei die Erkrankungshäufigkeit mit dem Alter deutlich zunimmt.
  • Premature Ovarian Failure (POF) bezeichnet eine vorzeitige Menopause, die bei FMR1-Prämutationsträgerinnen häufiger Auftritt als bei anderen Frauen.