Kinderaerzte-im-Netz.at

Ihre Fachärzte von der Geburt bis zum vollendeten 18. Lebensjahr

Herausgeber:

Digitale „Selbstverletzung“ kann der erste Schritt zu ernsteren körperlichen Selbstverletzungen sein

Digitale Selbstverletzung kann Hinweis für seelische Probleme sein und körperlichen Selbstverletzungen oder gar einem Selbstmordversuch vorausgehen. Darauf macht eine amerikanische Studie aufmerksam.

© fotandy - Fotolia.com

© fotandy - Fotolia.com

Digitale Selbstverletzung oder ‚Digital Self-Harm‘ beschreibt eine neue Form der Selbstverletzung, bei der Jugendliche sich selbst anonym mit negativen Äußerungen im Internet mobben. Wie bei der körperlichen Selbstverletzung, wie z.B. Ritzen, wollen Heranwachsende starke negative Gefühle bei sich zu bekämpfen. Bei der digitalen Selbstverletzung hoffen Heranwachsende vermutlich, dass andere mit Gegenargumenten und positiven Äußerungen zu ihrer Person reagieren oder sie zumindest von anderen mehr Aufmerksamkeit erhalten. US-Experten benannten dieses Verhalten vermutlich erstmals 2013 im Zusammenhang mit dem Selbstmord einer Jugendlichen. Dieses Mädchen hatte Wochen vor ihrem Suizid negative Posts über sich selbst in den Sozialen Medien verbreitet.

Das Gefährliche ist, dass selbstverletzendes Verhalten unbehandelt zur Gewohnheit werden kann, da es meist die einzige ‚erfolgreiche‘ Bewältigungsstrategie ist, die Jugendliche kennen – selbst wenn die langfristigen Auswirkungen negativ sind. Eltern sollten versuchen, offen und nicht wertend mit ihren Kindern zu sprechen und sie ermutigen, ihnen ihre belastenden Erfahrungen anzuvertrauen. Aufgrund der Schamgefühle von Jugendlichen kann dies schwierig sein. Wenn Vater und Mutter keinen Zugang zu ihrem heranwachsenden Kind finden und länger anhaltende Verhaltensänderungen bemerken, sollten sie den Jugendarzt konsultieren. In manchen Fällen kann eine psychotherapeutische Behandlung sinnvoll sein.

Mittlerweile beobachten amerikanische Wissenschaftler eine Zunahme von digitaler Selbstverletzung bei Jugendlichen. Sie vermuten, dass dies zum Teil auch der Coronapandemie geschuldet ist, in der Heranwachsende mehr Zeit im Internet verbringen und weniger persönliche Kontakte haben. Etwa 10% der Jugendlichen in Florida praktizieren beispielsweise Digital Self-Harm. Forscher aus Neuseeland kamen in einer Untersuchung zu dem Thema zu dem Schluss, dass etwa 6% der Teenager dort Erfahrungen mit Digital Self-Harm haben - vorwiegend die 13- bis 14-Jährigen. Jungen tendieren anscheinend demnach etwas mehr zu Digital Self-Harm als Mädchen. Männliche Heranwachsende geben selbst zwar häufig an, nur einen Scherz machen zu wollen, wenn sie sich selbst im Internet abwerten. Die Autoren der neuseeländischen Studie kommentieren jedoch, dass der Versuch „lustig“ oder „cool“ zu sein, ebenso das Ziel haben könnte, Unterstützung und Aufmerksamkeit zu erhalten.

Quellen: MedicalXpress/Florida International University, Deviant Behavior, SSRN Electronic Journal