Meine siebenjährige Enkeltochter macht in der Nacht noch ins Bett. Laut Kinderärztin wäre ein Medikament nicht zielführend. Wird meine Enkelin in der Nacht aufgeweckt, um auf die Toilette zu gehen, ist das zwar erfolgreich, aber doch keine Dauerlösung. Was raten Sie uns?
Wie soll sich eine Familie verhalten, deren 7 Jahre altes Kind es noch nicht geschafft hat, in der Nacht trocken zu sein? Es ist gut, diese Frage immer wieder öffentlich anzuschneiden. Leider bleibt dieses Problem auch heute noch vielfach in den Familien verborgen, wird nicht angesprochen, kann aber zu vielen negativen Erlebnissen für das betroffene Kind führen.
Ihre Enkelin steht nicht allein da. Jedes 15. bis 20. Kind ist in diesem Alter noch Bettnässer, also mindestens 1 – 2 Kinder in jeder Schulklasse. Eltern müssen zunächst lernen, mit dem Bettnässen ihres Kindes umzugehen. Nicht das Kind ist schuldig. Es versteht vielfach die Verwirrung der Eltern und auch Großeltern nicht und sieht selbst kein Problem. Negative Äußerungen in den Familien stressen das Kind („Weißt du, dass deine Mutter jeden Tag ein neues Leintuch für dich waschen muss?", „Wenn du in der nächsten Nacht nochmals in das Bett machst, darfst du nicht mehr fernsehen").
Meistens sind auch die Eltern nicht schuld am Bettnässen ihres Kindes. Jedes Kind hat seine eigene Kurve zum Reinwerden, teils schneller, teils langsamer. Wir Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde brauchen, um helfen zu können, ein eingehendes ärztliches Gespräch, eine normale kinderärztliche Untersuchung, einen Ultraschall der Nieren und der Blase und ein Protokoll der Häufigkeit und Menge des Harnlassens (Miktionsprotokoll) ihres Kindes. Entsprechend den Ergebnissen dieser einfachen und nicht belastenden Untersuchungen ist jedes Kind dann individuell zu betreuen.
Teilweise ist ein abwartendes Verhalten gerechtfertigt (manchmal ist das Bettnässen innerhalb eines kurzen Zeitraums verschwunden), teilweise empfiehlt sich die Behandlung mit Medikamenten, oder einem sogenannten „Bettnässerweckgerät", oder eine psychologische Betreuung des Kindes und der Familie. Gerade die medikamentösen Behandlungen müssen genau überlegt werden und dürfen nicht unkritisch verschrieben werden. Jedes Medikament kann auch unerwünschte Nebenwirkungen haben, die vor Beginn der Behandlung zu besprechen sind. Ihrer Enkelin kann geholfen werden. Da das Vorgehen aber individuell unterschiedlich ist, besprechen Sie dieses bitte nochmals mit der Kinderärztin Ihrer Enkelin.
Dieser Artikel wurde bereits als Pressetext in der Kategorie "Die Ganze Woche - Österreichs Kinder- und JugendärztInnen beantworten Leserfragen" publiziert.
Univ.-Prof. Dr. Ekkehard Ring
Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Graz Leiter der AG
„Nephrologie" der ÖGKJ
Mitglied der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde