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Scharlach (Scarlatina)

© Dron - Fotolia.com
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Der Scharlach ist eine akute Streptokokken-Infektion der Gaumenmandeln (Tonsillen) und des Rachens mit einem charakteristischen Hautausschlag, verursacht durch beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A, die Erythrotoxine bilden. Die Übertragung erfolgt durch direkten Kontakt oder durch Tröpfcheninfektion. Enges Zusammenleben (z. B. in Schulen, Kasernen, Heimen) begünstigt in jedem Lebensalter die Ausbreitung des Erregers. Mehrfache Erkrankung an Scharlach möglich.

Racheninfektionen durch Streptokokken sind weltweit verbreitet. Sie gehören zu den häufigsten bakteriellen Erkrankungen im Kindesalter und weisen einen Gipfel in der Altersgruppe der 4- bis 7-Jährigen auf. Ausbrüche sind allerdings auch in allen anderen Altersgruppen möglich. In Österreich werden jährlich mehrere Hundert Erkrankungsfälle gemeldet (zusätzliche Dunkelziffer!). Die Zahl der akuten Streptokokken-Pharyngitiden in Deutschland wird auf 1 bis 1,5 Millionen pro Jahr geschätzt.
Das Reservoir für Streptokokken ist der Mensch. Insbesondere in den Wintermonaten ist eine asymptomatische Besiedlung des Rachens bei bis zu 20% der Bevölkerung nachweisbar. Die Inkubationszeit beträgt 2-4 (1-9) Tage.

Symptome

  • Fieber, Kopfschmerzen, oft Erbrechen (bei Kindern auch Bauchschmerzen) und Schüttelfrost leiten eine akute eitrige Rachenentzündung sowie eine schmerzhafte Mandelentzündung (Tonsillitis) mit weißlichen Belägen ein.
  • Vergrößerung der Lymphknoten im Kieferwinkel.
  • Vom oberen Rumpf ausgehend, überzieht ein Hautauschlag aus stecknadelkopfgroßen, leicht erhabenen, sich rau anfühlenden Herden den Stamm (besonders dicht in den Leistenbeugen) und dann die Extremitäten bei leichter Rötung der Haut (wie "Gänsehaut auf Sonnenbrand"). Gesicht um Mund und Kinn pflegen frei zu bleiben ("periorale Blässe").
  • Die anfänglich weiß belegte Zunge verliert ihren dicken Überzug vom Rand her, sogenannte Himbeer- oder Erdbeerzunge.
  • Nach dem Abblassen des Ausschlags schuppt die Haut ab, an Händen und Füßen öfters in Fetzen.

Komplikationen

Nierenbeteiligung (interstitielle Nephritis) in der ersten Erkrankungswoche; Gelenkschmerzen (Scharlach-Rheumatoid nach einer Woche); Mittelohrentzündung, Peritonsillarabszess u.a. Eine akute Nierenentzündung (Glomerulonephritis) kann nach zirka 10 Tagen eintreten. In 0,5-3% der Fälle kann rheumatisches Fieber mit Herzmuskelbeteiligung als Spätkomplikation im Mittel nach zirka 18 Tagen auftreten. Wenn die Streptokokken nicht über dem Nasen-Rachen-Raum, sondern über eine Wunde eintreten, kommt es zum sogenannten Wundscharlach.

Diagnose

Tonsillenabstrich zum kulturellen Nachweis von Streptokokken; ein Nachweis der Streptokokken mittels Schnelltest kann bei positivem Ergebnis den länger dauernden kulturellen Nachweis ersetzen; Anstieg des Antistreptolysin-Titers im Blut. Die Blutsenkung ist beschleunigt, im Blutbild findet sich eine Vermehrung der weißen Blutkörperchen (Leukozytose).

Behandlung

Das Mittel der Wahl ist Penizillin, welches 10 Tage oral oder als Depot-Penizillin intramuskulär als Injektion gegeben werden muss. Ein kürzeres Regime erhöht die Rückfallquote. Gut wirksam sind auch Cephalosporine und meist auch Makrolid-Antibiotika. Bei Penizillinallergie wird Erythromycin empfohlen. Durch die Behandlung erfolgt eine rasche Beendigung der Infektiosität, so dass der Patient nach zwei Tagen nicht mehr ansteckend ist.
Zusätzlich fiebersenkende Medikamente, ausreichend Flüssigkeit, Gurgeln – und neue Zahnbürste, damit darauf befindliche Keime nicht nach Behandlungsende einen Rückfall auslösen.

Prophylaxe

Eine Streptokokken-Infektion sollte rasch erkannt und schnellstmöglich antibiotisch behandelt werden. Das frühzeitige Einleiten einer 10-tägigen antibiotischen Therapie verkürzt die Zeit der Ansteckungsfähigkeit und reduziert die Wahrscheinlichkeit einer Nachfolgeerkrankung.
Symptomlose Keimträger werden nicht behandelt. Deshalb sind auch für Kontaktpersonen keine speziellen Maßnahmen erforderlich; sie sollten jedoch über ihr Infektionsrisiko und die mögliche Symptomatik aufgeklärt werden, um im Erkrankungsfall den rechtzeitigen Arztbesuch und eine Therapie zu gewährleisten. Der unbehandelte Patient soll abgesondert werden; in Österreich wurde die vor der Antibiotika-Ära notwendige, weitgehende Absonderungs-Verordnung von 1915 im Jahr 1983 aufgehoben. Patienten sind nach 24-48 Stunden ausreichender antibiotischer Behandlung praktisch nicht mehr als ansteckend anzusehen. Daher ist auch eine Rückkehr in Gemeinschaftseinrichtungen (z.B. Kindergarten oder Schule) - abhängig vom Befinden des Patienten - aus epidemiologischer Sicht nach dem zweiten Behandlungstag vertretbar.

Bei Kleinepidemien in Familien oder Gemeinschaftseinrichtungen (= drei oder mehr Erkrankungsfälle innerhalb eines Monats) kann die gleichzeitige Abstrich-Entnahme und Behandlung der Personen mit positivem Abstrich erfolgreich sein. Eine Schutzimpfung existiert nicht.

Prim .Univ.-Prof. Dr. Ingomar Mutz