Bei diesem System überträgt ein am Körper getragenen Sensor laufend Glukosewerte (Glukosedaten) zur Insulinpumpe und an eines oder mehrere Smartphones. Eine Software passt die Insulinabgabe der Pumpe selbstständig an den Glukosewert an. Lediglich bei Mahlzeiten müssen Eltern die notwendige Insulindosis für das Essen ihres Kindes anpassen und aktiv abgeben. „Die mit der Closed-Loop-Technologie kombinierte App erlaubt Eltern nun, die Glukosewerte ihres Kindes fast in Echtzeit zu beobachten. Die Technik erspart es Eltern, bei Unsicherheiten einen Finger-Prick-Tests durchzuführen oder auf ein Gerät am Körper ihres Kindes zuzugreifen, um Korrekturen durchzuführen. Stattdessen können sie auf die Arbeit des Algorithmus vertrauen: Durch Benachrichtigungen auf ihrem Smartphone erhalten Eltern Warnmeldungen, falls Probleme auftreten. Eltern gewinnen damit Lebensqualität zurück und können sich wieder Dingen widmen, wie Kino- oder Theaterbesuche, während das Kind mit Diabetes von Großeltern oder Freunden beaufsichtigt wird. Ebenso ermöglicht es dem Kind, sich freier zu bewegen und sogar mal bei Freunden zu übernachten, weil die Betreuung durch das Remote Controlling mehr Bewegungsfreiheit und Fremdbetreuung einfacher zulässt“, berichtet OÄ Assoz. Prof. PD. Dr. Sabine Hofer von der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ), die die Abteilung Diabetologie am Department für Kinder- und Jugendheilkunde der Universitätsklinik Innsbruck leitet. Ein weiterer Vorteil der Fernüberwachung per App ist, dass Daten bei Bedarf besser übermittelbar sind, z.B. an den Arzt. Zudem werden Eltern durch ungewöhnliche Werte rasch auf Geräteprobleme aufmerksam, wie eine Unterbrechung der Insulinversorgung bei Trennung des Katheters.
Blutzuckerkontrolle ist bei kleinen Kindern besonders schwer
Kleine Kinder mit Diabetes Typ 1 sind u.a. aufgrund ihres raschen Wachstums und häufiger Infekte von starken Blutzuckerschwankungen betroffen. Darüber hinaus ist ihr Ess- und Bewegungsverhalten schwer kontrollierbar. Ein zu geringer Blutzuckerspiegel blieb bisher oft länger unbemerkt, besonders nachts. „Gesundheitlich profitieren junge Patienten deshalb enorm von diesem neuartigen Diabetesmanagement. Während eines Untersuchungszeitraums von 4 Monaten konnte die Glukosekontrolle bei Kindern zwischen 1 und 7 Jahren durch das Closed-Loop-System deutlich verbessert werden. Damit verringert sich auch die Gefahr für lebensgefährliche Stoffwechselentgleisungen. Insbesondere bei kleinen Kindern kann eine schlechte Glukosekontrolle das Gehirnwachstum beeinträchtigen. Häufig erhöhte Blutzuckerspiegel, die unbemerkt andauern, erhöhen längerfristig das Risiko für Gefäßschäden“, ergänzt OÄ Assoz. Prof. PD. Dr. Hofer, Fachärztin für pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie.
Forscher/innen der drei österreichischen Universitäten Innsbruck, Graz und Wien haben zusammen mit britischen, luxemburgischen, belgischen und deutschen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen das Closed-Loop-Systems mit Remote-Monitoring-Technologie bei sehr jungen Kindern erprobt.
OÄ Assoz. Prof. PD. Dr. Hofer, Medizinische Universität Innsbruck, war gemeinsam mit Frau Prof. Dr. Rami Merhar, AKH Wien, und Frau PD Dr Fröhlich-Reiterer, Kinderklinik Graz, an den Studien zum Closed-Loop-System und der Remote-Monitoring-Technologie beteiligt, deren Ergebnisse im „New England Journal of Medicine“ und in „Diabetic Medicine“ veröffentlicht wurden.
In Österreich sind etwa 30.000 Menschen an einem Typ-1-Diabetes erkrankt, davon sind etwa 1600 Kinder und Jugendliche. Jährlich werden etwa 250 Kinder neu mit Diabetes Typ 1 diagnostiziert. Seit 2015 nehmen in Österreich die Fallzahlen von schweren Stoffwechselentgleisungen (Ketoazidose) bei der Erstdiagnose von Diabetes Typ 1 insbesondere bei den unter Zweijährigen zu. Während der Coronapandemie lag sogar bei über der Hälfte der Kinder (59,3%) mit neu diagnostizierten Diabetes Typ 1 eine Stoffwechselentgleisung vor.
Quellen: BMJ Open, Diabetes Res Clin Pract., Pediatr Diabetes., Front Pediatr., Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, N Engl J Med.
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