„Da sich digitale Medien nicht mehr aus unserer Gesellschaft wegdenken lassen, ist es vor allem wichtig, dass Eltern Kindern gesunde Mediennutzungsgewohnheiten beibringen und sie bei der Mediennutzung begleiten. Wenn sie beispielsweise zusammen mit ihrem Kind einen altersgerechten Film ansehen, können sie Fragen dazu stellen und darüber sprechen. Eltern sollten auch bei ihren älteren Kindern wissen, womit diese sich z.B. im Internet oder bei Computerspielen beschäftigen“, erklärt Dr. Werner Sauseng, Vorstandsmitglied der ÖGKJ und wissenschaftlicher Beirat der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (ÖGSM). Als feste Regel sollte die Stunde vor dem Zubettgehen medienfrei bleiben. Auch während der Mahlzeiten gehören Bildschirmmedien ausgeschaltet. Kinder unter zwei Jahren sollten möglichst keine Medien nutzen. Für Kinder über zwei Jahre bis zum Vorschulalter empfiehlt sich eine Bildschirmzeit von höchsten 30 Minuten pro Tag. Bis ins Jugendalter können Eltern dann die Bildschirmzeit langsam auf bis zu zwei Stunden täglich erhöhen.
Schlaf- und Konzentrationsprobleme als Folge von häufigem Medienkonsum insbesondere bei kleinen Kindern
Mehrere Studien belegen Zusammenhänge zwischen übermäßiger Mediennutzung und kindlichen Entwicklungsstörungen, beeinträchtigter geistiger Leistungsfähigkeit, Schlaf- und Verhaltensproblemen. Eine aktuelle Studie der Universität Leipzig beobachtete bei Zwei- bis Vierjährigen, dass hoher Medienkonsum (mehr als eine Stunde Beschäftigung mit Fernsehen, Spielkonsole, Computer/Laptop/Tablet und Handy) ihre Entwicklungsfertigkeiten negativ beeinflusste, während sich häufigere Eltern-Kind-Interaktionen (z.B. Spielen mit den Kindern, Vorlesen) positiv auswirkten. „Eltern-Kind-Interaktionen sind wichtiger ‚Treibstoff‘ für die kindliche Entwicklung. Eltern können z.B. beim Vorlesen einer Geschichte Fragen stellen, erklären und auf die Reaktionen des Kindes eingehen. Kinder brauchen die Aufmerksamkeit ihrer Eltern. Bildschirmmedien sind kein Lernmedium für Kleinkinder – im Gegenteil“, verdeutlicht Dr. Sauseng, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde mit einer Ordination in Kumberg.
Die kleinen „Medien-Vielnutzer“ schnitten bei Tests der Leipziger Untersuchung sowohl geistig, sprachlich als auch in ihrer sozial-emotionalen Entwicklung schlechter wie ihre Gleichaltrigen ohne übermäßigen Mediengebrauch ab. Das Vorbild der Eltern hatte ebenso Einfluss auf das Medienverhalten des Nachwuchses: Wenn Mütter dem Handy und anderen Bildschirmmedien mehr als 5 Stunden täglich widmeten, neigten deren Kinder mit etwa 4-mal größerer Wahrscheinlichkeit ebenso zu übermäßigem Mediengebrauch im Vergleich zu Kindern, deren Mütter einen geregelten Umgang mit Medien pflegten.
Österreichische Kinder haben früh Kontakt mit digitalen Medien
Einer österreichischen Befragung von 2020 zufolge, bei der 400 Eltern mit Kindern von bis zu sechs Jahren Auskunft gaben, kommen Kinder durchschnittlich bereits im Alter von einem Jahr in Kontakt mit einem digitalen Bildschirm – 72% der Kinder sogar früher. Einem Haushalt mit Kindern unter 6 Jahren stehen durchschnittlich 4 bis 5 internetfähige Geräte zur Verfügung. Diese nutzten - zumindest gelegentlich - bereits 72% der Kinder zwischen 0 und 6 Jahren bzw. 81% der 3- bis 6-Jährigen selbst. Im Vergleich zu einer Umfrage von 2013 hat sich der Gebrauch von digitalen Medien bei den 3- bis 6-Jährigen demnach fast verdoppelt (41% gegenüber 81%). Am beliebtesten sind bei dieser Altersgruppe das Tablet (32%), gefolgt vom Smartphone (30%) und dem internetfähigen Fernseher (21%).
Corona und digitale Medien
Gerade während eines Lockdowns ist es für Eltern schwer zu beurteilen, inwieweit sie digitale Medien mit Kleinkindern verwenden sollten. So ermöglicht die Technik zum Beispiel, mit Oma und Opa in Kontakt zu bleiben. Entscheidend sind hier die Anwesenheit der Eltern und die persönlichen Interaktionen. Da kleine Kinder sich nicht so lange auf etwas konzentrieren können, sollten die Gespräche anfangs nur wenige Minuten dauern. „Kinder zwischen 21 und 25 Monaten können zwar Menschen erkennen, die sie nach seltenem Kontakt ausschließlich per Video-Chat gesehen haben, aber erst im Alter von 3 bis 4 Jahren verstehen sie, dass sich die Person auf dem Bildschirm an einem physisch anderen Ort befindet. Enkelkinder im Vorschulalter sind besser in der Lage, der Video-Chat-Unterhaltung zu folgen, was eher ein wechselseitiges Gespräch ermöglicht und den Aufbau von Beziehungen aus der Ferne erleichtert“, gibt Dr. Sauseng zu bedenken.
Die 24-seitige Broschüre „Mama, darf ich dein Handy?“ gibt Eltern mit Kindern von 3 bis 6 Jahren Tipps zum Umgang mit Medien. Die 42-seitige Sammlung „Digitale Medienbildung in elementaren Bildungseinrichtungen“ – herausgegeben vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft – bietet Hintergrundinformationen und Anregungen sowie Linkstipps für Pädagoginnen und Pädagogen, die aber auch für Eltern interessant sein können.
Quellen:
- Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (Hrsg.). Digitale Medienbildung in elementaren Bildungseinrichtungen. Wien, 2020.
- Kaiser-Müller K. Studie: Kleinkinder und digitale Medien. 72 Prozent der 0- bis 6-Jährigen im Internet. Medienimpulse Jg. 58, 1 (2020).
- Mediennutzung und -konsum bei Kindern und Jugendlichen. Stellungnahme der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (ÖGKJP) und der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ). Pädiatrie & Pädologie 2021; 5, 250.
- Österreichisches Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) – Saferinternet.at (Hrsg.). Mama, darf ich dein Handy? 10 Tipps für Eltern von Kindern zwischen 3 und 6 Jahren. Wien, Mai 2021.
- Pappas S. What do we really know about kids and screens. Monitor on Psychology 2020; 51(3), p. 42.
- Sauseng W, Sonnleitner A, Hofer N et al. Empfehlungen zur Regulierung von Bildschirmzeiten im Kindes- und Jugendalter. Monatsschr Kinderheilkd 2017; 165, 254–256.
- Schwarzer C, Grafe N, Hiemisch A, Kiess W, Poulain T. Zusammenhänge von Medienkonsum, Eltern-Kind-Interaktion und der frühkindlichen Entwicklung. Abstract-Nr.: 43574, KV 055. In. Abstracts des Kongresses für Kinder- und Jugendmedizin 2021. Monatsschr Kinderheikd 2021; Suppl. 3, S163.
- Srisinghasongkram P, Trairatvorakul P, Maes M, Chonchaiya W. Effect of early screen media multitasking on behavioural problems in school-age children. Eur Child Adolesc Psychiatry. 2021; 30 (8), 1281-1297.
- Strouse, G A, McClure, E, Myers, L J, Zosh, J M, Troseth, G L, Blanchfield, O, Roche, E, Malik, S, & Barr, R. Zooming through development: Using video chat to support family connections. Human Behavior and Emerging Technologies2021; 3 (4), 552–571.
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