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Exotische, langbeinige Riesenzecke kann neue Krankheitserreger nach Österreich bringen

Durch die Klimaveränderung ist es der exotischen Riesenzecke, Hyalomma marginatum, gelungen, sich vereinzelt in Österreich anzusiedeln. Das erwachsene Tier ist 5 bis 6 Millimeter groß, vollgesogen sogar bis zu zwei Zentimeter und hat lange gestreifte Beine. Bisher war es nur in Süd- und Osteuropa anzutreffen.

© antasfoto  – stock.adobe.com

Riesenzecke, Hyalomma marginatum (© antasfoto – stock.adobe.com)

„Bedenklich dabei ist, dass diese neue Zeckenart Krankheiten importieren kann, die bislang in Österreich noch nicht existierten. Die Riesenzecke ist Hauptüberträger des Virus des hämorrhagischen Krim-Kongo-Fiebers, kann aber auch Fleckfieber durch Rickettsien verbreiten“, erläutert Prim. Univ.-Prof. Dr. Reinhold Kerbl, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ). Das Krim-Kongo-Fieber tritt üblicherweise in Afrika, im Nahen Osten und anderen asiatischen Ländern sowie auf dem Balkan auf, aber Expert*innen konnten die auslösenden Bunyaviren vor kurzem auch bei Zecken in Spanien und Frankreich nachweisen. Bei den vereinzelt in Österreich gefundenen Riesenzecken konnte bisher noch keine Belastung mit Bunyaviren gefunden werden. Einige Zecken hatten jedoch Rickettsia aeschlimannii in sich.

Schwere Krankheitsverläufe möglich

Zu den Symptomen des Krim-Kongo-Fiebers gehören hohes Fieber, Muskelschmerzen, Schwindel, Lichtscheu, Bauchschmerzen, Durchfall, Erbrechen und in schweren Fällen Blutungen. Die Sterblichkeitsrate liegt zwischen 5% und 30%. In den meisten Fällen erfolgt eine Infektion durch einen Zeckenstich. Eine Ansteckung ist aber auch durch Blut oder andere Körperflüssigkeit von infizierten Tieren, die in kleinste Hautverletzungen eindringen, oder durch Kontakt der Schleimhäute mit virushaltigem Material möglich.

Das Zeckenbissfieber bzw. Fleckfieber durch Rickettsien äußert sich durch Fieber, Kopfschmerzen, Ausschlag und ein absterbendes kleines Hautareal, den Eschar, an der Einstichstelle. Infizierte entwickeln jedoch keine so schweren Krankheitsverläufe wie beim Krim-Kongo-Fieber.

Zeckenspeichel ideales Transportmittel für Krankheitserreger

Die Krankheitserreger werden von infizierten Zecken durch ihren Speichel während des Saugvorgangs weitergegeben. Der Speichel ist jedoch nicht nur ein Medium, sondern wirkt auch blutverdünnend und fördert die Übertragung von Krankheitserregern. Wie Letzteres funktioniert, ist noch nicht vollständig geklärt. Zecken sind jedenfalls Multiplikatoren für verschiedene Krankheitserreger.

Riesenzecken spüren ihr Opfer auf und jagen es

Ausgewachsene Hyalomma-Zecken (Riesenzecken) verstecken sich in der Erde und laufen aktiv auf ein Opfer zu, wenn sie Vibrationen, Kohlendioxid, Ammoniak oder Körperwärme wahrnehmen. Zudem können sie den zukünftigen Wirt aus einer Entfernung von 3 bis 9 Metern erkennen, da sie gut entwickelte Augen besitzen. Haben die Spinnentiere ihr Ziel ausgemacht, können sie es zehn Minuten oder länger verfolgen. Mithilfe ihrer langen Beine legen sie in dieser Zeit eine Strecke bis zu 100 Meter zurück. „Noch ist die Gefahr, in Österreich von einer Riesenzecke gestochen zu werden, minimal – vor allem im Vergleich zu den hier verbreiteten „normalen Zecken“ (Gemeiner Holzbock, Ixodes ricinus). Aber mit der Klimaveränderung kann das Risiko steigen und wir müssen auch an diese Möglichkeit denken“, so Prim. Univ.-Prof. Dr. Kerbl, der die Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde am LKH Hochsteiermark in Leoben leitet.

Bei durchschnittlichen Monatstemperaturen von 10,5 °C werden Riesenzecken aktiv. Für ihre Suche nach einer Blutmahlzeit bevorzugen sie Tagestemperaturen von 22 bis 27 °C. Es gibt Berichte, dass die erwachsenen Riesenzecken bei Temperaturen von bis zu -20 °C überleben können.

Kopf, Hals und Nacken bei Kindern häufige Stichstellen

Bei einem Aufenthalt im Freien, insbesondere nach Wanderungen mit Kontakt zu niedrigen Büschen oder Gräsern, empfiehlt sich die Verwendung von Repellents (Mückenschutzmittel) und das Tragen geschlossener, heller Kleidung. „Nach einem Aufenthalt in der Natur sollten Eltern den Körper ihres Kindes auf Zecken absuchen und diese rasch entfernen. Bei Kindern lassen sich Zecken häufig auf der behaarten Kopfhaut, in der Leistengegend und in den Kniekehlen nieder. Wenn sie sich noch nicht festgesaugt haben, können sich die Spinnentiere in der Kleidung aufhalten. Duschen hilft nur, wenn sich die Zecke noch nicht festgesaugt hat“, erklärt Prim. Univ.-Prof. Dr. Kerbl.

Auch nach dem engen Umgang mit Tieren ist es sinnvoll, den Körper abzusuchen. Herkömmliche Zecken können z.B. von Haustieren auf den Menschen wandern. Ausgewachsene Riesenzecken lassen sich gerne auf großen Tieren wie Pferden, Rindern, Schafen oder kleineren Säugetieren (Hunde, Hasen) nieder, die der eigentlich „Wirt“ für Riesenzecken sind. Ein Tier kann von bis zu 100 Riesenzecken befallen sein. Die mit Blut vollgesaugten Weibchen fallen vom Wirt ab und können bis zu 7.000 Eier in die Erde legen.

Osten und Südosten Österreichs bieten günstige Bedingungen

Modellrechnungen sagen voraus, dass die Riesenzecke in vielen Regionen Europas heimisch werden wird. In Österreich wird sie demnach vor allem im Osten und Südosten günstige Bedingungen vorfinden.
Durch Zugvögel, die von Larven der Hyalomma-Zecke befallen sind, gelangen sie jedes Frühjahr in nördliche Gebiete. Als Nymphen fallen sie schließlich vollgesaugt auf der Flugroute ab. Damit sie dort zu einer „erwachsenen“ Zecke heranwachsen können, muss ein geeignetes Klima vorherrschen. Expert*innen vermuten, dass dabei vor allem überdurchschnittlich hohe Temperaturen im Frühjahr eine Rolle spielen.

Heimische Zecken erobern weitere Gebiete

Mit den allgemein wärmeren Temperaturen gelang es den in Europa heimischen Zecken (vor allem Ixodes ricinus, Holzbock) bereits, weiter nach Norden und in höhere Regionen bis über 1.000 Meter vorzudringen. Sie können zu einer Infektion mit Borrelien führen, die Borreliose auslösen, oder mit Flaviviren, die zur Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) führen können. Nur gegen FSME ist eine Impfung möglich.

„Awareness“ – aber kein Grund zur Panik

„Ob Zecke oder Riesenzecke – man muss sich dieser Infektionsgefahr bewusst sein und entsprechende Vorsorgemaßnahmen treffen“, empfiehlt Prim. Univ.-Prof. Dr. Kerbl. „Bezüglich der Riesenzecke gibt es derzeit aber sicher keinen Grund für Panik“.

Quellen: AGES, Euro Surveill. (1, 2), Pathogens., Parasit Vectors., Microorganisms. (1, 2), Biologia, Wien Klin Wochenschr., ECDC

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Dies ist eine Pressemeldung der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ). Der Abdruck dieser Pressemeldung oder von Teilen des Artikels ist unter folgender Quellenangabe möglich: www.kinderaerzte-im-netz.at. Bei Veröffentlichung in Online-Medien muss die Quellenangabe auf diese Startseite oder auf eine Unterseite des ÖGKJ-Elternportals verlinken. Fotos und Abbildungen dürfen grundsätzlich nicht übernommen werden.