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Fencheltee: Bei Babys, Kleinkindern und stillenden Müttern vermeiden, bei Kindern nur sparsam verwenden

Da es in Tierversuchen starke Hinweise dafür gibt, dass das in Fenchel enthaltende Estragol in sehr hohen Dosen insbesondere in der Leber die Entstehung von Krebs begünstigen kann, empfiehlt die Europäische Arzneimittelagentur (EMA), Arzneimittel oder Tees auf der Basis von süßem Fenchel erst ab einem Alter von vier Jahren anzuwenden.

© Uuganbayar - stock.adobe.com

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Diese Empfehlung soll verhindern, dass Säuglinge und Kleinkinder evtl. langfristig gesundheitsschädliche Mengen von Estragol einnehmen. Da der Estragol-Gehalt in den verschiedenen Teeangeboten stark schwankt, kann die Dosis in einigen Tees zu hoch für kleine Kinder sein“, so Prim. MedR.Ass.-Prof.DDr.Peter Voitl, MBA, Mitglied des Präsidiums der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ). Wird der Teebeutel noch extra ausgedrückt, erhöht sich die Konzentration.
Die EMA räumt in ihrer Stellungnahme zu Estragol-haltigen pflanzlichen medizinischen Produkten ein, dass es noch zu wenige Daten gibt, um wirklich sichere Grenzwerte anzugeben.

Bei Kindern von 4 bis 11 Jahren sollte die Exposition gegenüber Estragol so gering wie möglich gehalten werden und die Anwendung 1 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht am Tag nicht überschreiten. Stillende und Schwangere sollten Estragon-haltige Heilmittel oder Tees nicht zu sich nehmen.

  • Der geschätzte tägliche Konsum von Estragol durch Fencheltee lag einer österreichischen Untersuchung zufolge bei Frauen zwischen 0,32 und 6,42 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Bei geringem Estragol-Gehalt des Tees wäre die „sichere“ Estragol-Menge nicht überschritten, aber bei Höchstmengen schon. Bei 60 kg Körpergewicht wären Höchstmengen von 385 Mikrogramm täglich möglich – ungefähr das Siebenfache der empfohlenen Menge.

Der Gehalt von Estragol lag in den untersuchten Tees in einem weiten Bereich zwischen 78,0 µg/l und 4633,5 µg/l. Bei Säuglingen schwankte die verabreichte Tagesdosis dementsprechend stark zwischen 0,008 µg/kg/d und 20,78 µg/kg/d.

  • Der empfohlene Grenzwert der EMA beträgt 0,052 mg für eine Person mit 50 kg = 52 µg/Tag. Fencheltee kann bei einem Gehalt von 0,008 bis 20µg/kg/d Säugling mit 5 kg = 0,04 bis 100 µg/Tag erreichen.
  • Es darf aber auch nicht übersehen werden, dass Säuglinge in der Regel nur wenig andere nutritive Estragol-Quellen in der Ernährung haben und Fencheltee üblicherweise nicht sehr lange gegeben wird.

Estragol kommt zusätzlich noch in vielen Gewürzen vor, wie Anis, Basilikum, Sternanis, Piment, Muskatnuss, Lemongras, Estragon. Diese sollten der EMA zufolge nur gelegentlich in der Küche genutzt werden.

Hormonähnliche Substanzen

Hormonähnliche Substanzen, sogenannte Phytoöstrogene, sind ebenso ein Bestandteil von Fenchel. Die Ergebnisse einer iranischen Studie zeigen, dass Fenchelextrakte, die Mäuse in der Schwangerschaft und beim Säugen erhalten hatten, den Östrogen-Signalweg bei den Nachkommen beeinflussten und damit z.B. die Entwicklung der Eierstöcke. Die iranischen Forscher*innen kommen zu dem Schluss, dass aufgrund des hohen Phytoöstrogengehalts die Verwendung dieser Pflanze beim Menschen noch genauer untersucht werden sollte. Ein regelmäßiger Verzehr von Fencheltees kann zudem Ursache für eine vorzeitige Brustentwicklung sein oder die Pubertät bei jungen Mädchen beschleunigen, so eine aktuelle französische Publikation. Die Autor*innen warnen deshalb vor häufigem Konsum vor allem in hohen Dosen.

„Viele oft verwendeten Kräuter sind sicher, wenn sie in moderaten Mengen konsumiert werden. Die korrekte pharmakologische Zubereitung in Apothekenqualität ist entscheidend! Der Verzehr großer Mengen ist aufgrund ihrer möglichen Beeinträchtigung verschiedener Stoffwechselvorgänge nicht sinnvoll. Fencheltee verwendeten Eltern traditionell als Hausmittel, wenn das Baby unruhig ist und sie vermuten, dass es unter Blähungen leidet. Doch in vielen Fällen weint das Baby aus anderen Gründen, und die Wirksamkeit von Fencheltee ist nicht eindeutig belegt. Hat das Baby starke Beschwerden, sollten Sorgeberechtigte immer den Kinder- und Jugendarzt aufsuchen“, lautet das Fazit von Prim. MedR.Ass.-Prof.DDr. Voitl, MBA, der auch Autor eines Berichts über die EMA-Empfehlung in der „Monatsschrift Kinder- und Jugendheilkunde“ ist.

Quellen: Monatsschr Kinderheilkd, EMA (1, 2), Nutrients, Int J Food Sci Nutr., BMC Complement Med Ther.
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Dies ist eine Pressemeldung der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ). Der Abdruck dieser Pressemeldung oder von Teilen des Artikels ist unter folgender Quellenangabe möglich: www.kinderaerzte-im-netz.at. Bei Veröffentlichung in Online-Medien muss die Quellenangabe auf diese Startseite oder auf eine Unterseite des ÖGKJ-Elternportals verlinken. Fotos und Abbildungen dürfen grundsätzlich nicht übernommen werden.