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Häufungen von durch Impfung vermeidbaren Krankheiten: Diphtherie, Wundstarrkrampf und Masern

Österreich und Rumänien gehören einer aktuellen Untersuchung zufolge derzeit zu den Ländern in Europa mit den geringsten Durchimpfungsraten. „Die Folgen machen steigende Zahlen u.a. bei Masern, Diphtherie und das Wiederauftreten von Wundstarrkrampf deutlich. Ganz aktuell erkrankte ein Junge schwer an Tetanus“, bedauert Priv.-Doz. Dr. Dornbusch, Leiter des Referates Impfkommission der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ), die Entwicklung.

© Artemida-psy – stock.adobe.com

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In Österreich gab es im ersten Quartal 2023 bereits 2 Diphtheriefälle, letztes Jahr 62 Fälle sowie 1 Todesfall. In diesem Jahr wurden bis Anfang August 151 Masernfälle gemeldet – ein Großteil davon in der Steiermark, ausgehend von einer Hochzeit mit vielen ungeimpften Gästen.

Gefahr der Einschleppung erhöht

In ganz Europa sind die Durchimpfungsraten insbesondere im Zuge der Coronapandemie zurückgegangen. Infolgedessen kam und kommt es in mehreren europäischen Ländern zum Wiederauftreten von lange durch Impfungen zurückgedrängten Krankheiten mit Ausbrüchen, die sich über die Landesgrenzen hinweg ausbreiten können.

Angesichts des fortwährenden militärischen Konflikts in der Ukraine erhöht sich zudem das Risiko, dass Krankheiten eingeschleppt werden. Die medizinische Versorgung in der vom Krieg heimgesuchten Ukraine ist erheblich beeinträchtigt und routinemäßige Impfungen von Kindern blieben aus. „Infektionskrankheiten können nur eingedämmt werden, wenn eine bestimmte Schwelle der sogenannten Herdenimmunität erreicht ist. Diese ist für jede Infektionserkrankung unterschiedlich, da nicht jeder Erreger gleich infektiös ist“, verdeutlicht PD Dr. Dornbusch, der auch Vorsitzender der Vaccination Working Group der European Academy of Paediatrics (EAP) ist. Bei den hochansteckenden Masern muss dafür eine Durchimpfungsrate (2 Teilimpfungen) von mindestens 95% in der Bevölkerung erreicht werden und bei Diphtherie eine Rate von ca. 80%.

Die Impfdatenbank der Wissenschaftlichen Akademie für Vorsorgemedizin kam bei Impfquoten in der Steiermark im August 2022 zu dem Ergebnis, dass nur 58% der etwa 10- bis 15-Jährigen die zu Beginn der Schulzeit notwendige Auffrischimpfung gegen Diphtherie und Tetanus erhalten hatten. Nur 82% der 7- bis 15-Jährigen in der Steiermark waren dieser Erhebung zufolge letztes Jahr vollständig gegen Masern immunisiert.

Bereits 20 Jahre ohne Diphtherie in der Vergangenheit erreicht

Nach der Einführung der Impfung gegen Diphtherie in Österreich im Jahr 1946 nahmen die Fälle bis Ende der 1960er-Jahre deutlich ab. Von 1994 bis 2013 war Österreich Diphtherie-frei. Die Impfung schützt allerdings nur gegen die Wirkung des Diphtherietoxins, verhindert jedoch nicht die Infektion. So lässt sich die Krankheit nur eindämmen, aber nicht eliminieren.

Diphtherie ist eine schwere Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Corynebacterium diphtheriae verursacht wird. Etwa 10-15% der Erkrankten versterben. Die Diphtherie-Bakterien verbreiten sich über feinste Speicheltröpfchen, bleiben aber auch – geschützt durch einen Biofilm - längere Zeit an Oberflächen haften. Menschen können deshalb besonders bei schlechten hygienischen Verhältnissen immer wieder in Kontakt mit den Bakterien kommen.

Das Bakterium kann eine Atemwegs- bzw. Rachen-Diphtherie oder eine Haut- bzw. Wund-Diphtherie auslösen. Bei der Atemwegs-Diphtherie überzieht ein borkiger Belag die Rachenschleimhaut. Diese „Pseudomembran“ kann zu lebensgefährlichen Erstickungsanfällen (Diphtherie-Croup) führen. Todesfälle durch Herzmuskelentzündung treten noch lange nach Krankheitsbeginn auf.

Wundstarrkrampf (Tetanus) – keine Ausrottung, nur Immunisierung möglich

Wundstarrkrampf ist dank der Impfung heute in Österreich eine Seltenheit. Doch wie bei Diphtherie kann die Krankheit nicht völlig ausgerottet werden. Der Tetanusbazillus bildet Sporen, die weltweit im Boden und im Hausstaub sowie in tierischen und menschlichen Fäkalien vorkommen. Die Sporen bleiben jahrelang in der Umwelt lebensfähig - selbst Desinfektionsmittel, Hitze und Kälte töten sie nicht ab. Es reichen kleine verschmutzte Verletzungen, um zu erkranken. „Wie viele Tetanusfälle in Österreich auftreten, wissen wir nicht, da es keine Meldepflicht gibt. Ein aktueller Fall zeigt wieder, dass die Krankheit nicht zu unterschätzen ist. Betroffene erleiden schmerzhafte Muskelkrämpfe mit Kiefersperre, Rücken- und Nackensteifigkeit sowie Schluck- und Atembeschwerden bei vollem Bewusstsein. Knochenbrüche durch Muskelkrämpfe, Lungenentzündung, Herzbeteiligung können die Folge sein. Ohne Behandlung verläuft Tetanus fast immer tödlich. Trotz Betreuung im Spital versterben dort noch etwa 20–70% der Patient*innen. Geringes und hohes Alter sind wie bei Diphtherie mit schwereren Krankheitsverläufen und höherer Sterblichkeit verbunden“, so PD Dr. Dornbusch.

Tetanus und Diphtherie – Nur Auffrischung erhält Schutz aufrecht

Die Impfungen gegen beide Krankheiten sind im kostenfreien Kinderimpfprogramm enthalten. Die Grundimmunisierung sollte standardmäßig im Rahmen der Sechsfachimpfung (Diphtherie, Wundstarrkrampf [Tetanus], Keuchhusten [Pertussis], Kinderlähmung [Poliomyelitis], Hepatitis B, Haemophilus influenzae B [HiB]) im 3., 5. und 11.-12. Lebensmonat erfolgen. „Um weiter geschützt zu sein, ist eine Auffrischimpfung („Booster“), am besten vor Schulbeginn, sehr wichtig“, betont Priv.-Doz. Dornbusch. In Österreich ist die Boosterimpfung im 7.-9. Lebensjahr mit einem Vierfachimpfstoff (Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio) empfohlen. Danach sollte diese Impfung alle 10 Jahre, ab 60 Jahren alle 5 Jahre wiederholt werden.
Masern mit Schneeballeffekt – Ein Infizierter/eine Infizierte steckt bis 18 weitere Ungeschützte an
Masern sind nach europaweit über 100.000 Fällen mit über 60 Todesfällen im Jahr 2019 durch Kontaktbeschränkungen und Schutzmaßnahmen während der Coronapandemie vorübergehend selten geworden: Im Jahr 2020 wurden in Österreich 25 Fälle gemeldet, für 2021 und 2022 jeweils 1 Fall. Doch sanken die Durchimpfungsraten ebenso. Ein Infizierter/eine Infizierte kann Masern schon etwa fünf Tage vor dem Auftreten des Hautausschlags und bis vier Tage danach weiterverbreiten. So kann er bis zu 18 weitere Fälle auslösen. Bei Kontakt mit Masernviren erkranken 90 von 100 ungeschützten Menschen.
Die Ansteckung erfolgt über Tröpfchen, die sich beim Niesen und Husten bilden. Virushaltige Aerosole können allerdings lange in der Luft schweben und zumindest zwei Stunden lang infektiös bleiben.
Die häufigsten Komplikationen sind: Mittelohrentzündung, Lungenentzündung, Durchfall, eine oft folgenschwere Hirnentzündung und als Folgeerkrankung die immer tödlich verlaufende subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE), die auch mehr als 10 Jahre nach akuten Masern (insbesondere bei Erkrankung im Säuglingsalter) auftreten kann.

Kombinationsimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln so früh wie möglich ratsam

Die 3-fach-Kombinationsimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) ist in Österreich für alle Altersgruppen kostenfrei. Der Impfplan empfiehlt 2 MMR-Impfungen ab dem vollendeten 9. Lebensmonat.

Quellen:

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Dies ist eine Pressemeldung der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ). Der Abdruck dieser Pressemeldung oder von Teilen des Artikels ist unter folgender Quellenangabe möglich: www.kinderaerzte-im-netz.at. Bei Veröffentlichung in Online-Medien muss die Quellenangabe auf diese Startseite oder auf eine Unterseite des ÖGKJ-Elternportals verlinken. Fotos und Abbildungen dürfen grundsätzlich nicht übernommen werden.