„Problematisch daran ist, dass Eltern dadurch oft keinen Grund sehen, die Ernährungsgewohnheiten oder das Bewegungsverhalten ihres Kindes zu ändern oder sich für Schulungsprogramme zu interessieren“, betont Prim.Univ.-Prof.Dr. Reinhold Kerbl, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ).
Eine erste Orientierung bietet das Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit unter:
www.uebergewicht-vorbeugen.de
Für eine medizinische Einschätzung ist die Kinderärztin bzw. der Kinderarzt die erste Anlaufstelle. Im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen von der Geburt bis zum 5. Lebensjahr wird das Gewicht regelmäßig kontrolliert. Ab dem Schulalter übernehmen großteils Schulärztinnen und -ärzte diese Aufgabe bis zum Ende der Pflichtschulzeit.
„Kinder und ihre Familien erhalten bei Bedarf eine individuelle Beratung bei der Kinderärztin oder dem Kinderarzt – inklusive Infos zu wohnortnahen Angeboten, Schulungsprogrammen und interdisziplinärer Betreuung. In manchen Fällen kann auch eine Reha sinnvoll sein“, erklärt Prim.Univ.-Prof.Dr. Kerbl. Er war auch am Vorwort zum Thema „Adipositas“ (schweres Übergewicht) in der diesjährigen Mai-Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „Monatsschrift Kinderheilkunde“ beteiligt.
In Österreich sind etwa 250.000 Kinder und Jugendliche übergewichtig, rund 40.000 davon stark übergewichtig. Etwa 25.000 bis 50.000 leiden bereits unter Folgeerkrankungen wie Stoffwechselstörungen (z. B. Diabetes), orthopädischen Problemen oder psychischen Belastungen.
Auch Jugendliche schätzen ihr Gewicht oft falsch ein
Eine internationale Studie untersuchte von 2002 bis 2018, wie Jugendliche ihr Körpergewicht wahrnehmen. Dabei zeigte sich: Immer mehr unterschätzen ihr Gewicht, während die Tendenz zur Überschätzung abnahm – vor allem bei Mädchen. Die Ergebnisse wurden in Child and Adolescent Obesity veröffentlicht. Befragt wurden 746.121 Jugendliche im Alter von 11, 13 und 15 Jahren aus 41 Ländern – darunter auch Österreich.
Wenig bekannte Gesundheitsrisiken: Hitze und Nährstoffmangel
Übergewichtige Kinder haben ein höheres Risiko für Dehydration, Hitzekrämpfe, Hitzeerschöpfung oder Hitzschlag. „Fettgewebe erschwert die Wärmeabgabe. Zudem sind übergewichtige Kinder meist körperlich weniger fit. Und Kinder schwitzen oft weniger als Erwachsene und können dadurch eher Probleme mit der Thermoregulation bekommen“, erklärt Prim.Univ.-Prof.Dr. Reinhold Kerbl, der die Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde des LKH Hochsteiermark in Leoben leitet.
Warnzeichen für einen Hitzschlag sind: warme, trockene Haut, erhöhte Körpertemperatur, Fieber, Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Benommenheit, schneller Puls, erhöhte Atemfrequenz sowie Muskelkrämpfe. Dann ist schnelle Hilfe nötig. (siehe auch: gesundheit.gv.at – Hitzschlag)
Übergewicht im Kindes- und Jugendalter kann verschiedene Ursachen haben – Lebensstil und Ernährungsgewohnheiten spielen dabei eine große Rolle. Übergewichtige Kinder essen oft weniger Obst, Gemüse und Fisch als normalgewichtige. Ihre Ernährung ist häufig unausgewogen und enthält zu wenig Vitamine, Mineralstoffe und andere wichtige Nährstoffe. Die Versorgung mit Eisen, den Vitaminen A, B, C, D, E, Folsäure und Zink kann unzureichend sein. Ob Kinder durch ihr Übergewicht einen höheren Bedarf haben oder ob Stoffwechselveränderungen und Entzündungsprozesse dabei eine Rolle spielen, ist noch nicht abschließend erforscht.
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