Nach etwa einem halben Jahr gibt es genügend Daten aus verschiedenen Ländern und mathematische Modelle, die die untergeordnete Rolle von Kindern beim Ausbruchsgeschehen belegen. „Es sind vielmehr die Erwachsenen, die die Infektionszahlen wieder in die Höhe treiben“, so Prim. Univ.-Prof. Dr. Reinhold Kerbl, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) und Vorstand der Abteilung für Kinder und Jugendliche am Landeskrankenhaus Hochsteiermark in Leoben.
Kinder unter 10 Jahren machen beispielsweise nur etwa 1% der COVID-19-Fälle aus, heißt es in der Veröffentlichung. Taiwan konnte die Ausbreitung von COVID-19 ohne breitflächige Schulschließungen begrenzen. Und für China belegen bereits einige Studien den geringen Erfolg der Schulschließung zur Eindämmung von Coronavirus-Infektionen. Auch deshalb, weil wenige Kinder im schulpflichtigen Alter erkrankten. Die Tatsache, dass in vielen westeuropäischen Ländern wie auch in Österreich und in Japan der Unterricht in den Schulen wieder begonnen wurde, ohne dass es zu einem Anstieg der Fälle in den Gemeinschaftseinrichtungen kam, bestätigt bisherige Rechenmodelle.
„Es ist wichtig, dass Schulen im Herbst wieder ihre Türen öffnen. Denn die Schließung von öffentlichen Bildungseinrichtungen birgt die Gefahr, dass sich soziale, wirtschaftliche und gesundheitliche Ungleichheiten verstärken, insbesondere für Kinder aus benachteiligten Familien“, erklärt Professor Kerbl. Die ÖGKJ fordert deshalb, dass Schulschließungen nicht zum Automatismus werden dürfen. Fernunterricht mithilfe von digitalen Technologien als Ersatz für den herkömmlichen Unterricht in der Klassengemeinschaft ist nicht in allen Familien möglich bzw. umsetzbar. So geht vielen Kindern wichtiger Lernstoff verloren, und auch der Kontakt zu Gleichaltrigen ist stark eingeschränkt. Veränderte Ernährungs- und Schlafgewohnheiten, psychische Beeinträchtigung, mangelnde Bewegung und ungehindertes, übermäßiges Surfen im Internet sind nur einige der möglichen Negativfolgen. Auch das Risiko von häuslicher Gewalt und Kindesmisshandlung nimmt zu.
„Schulschließungen sollten nur mehr dann erfolgen, wenn wissenschaftliche Evidenz dafür vorliegt und die Pandemiesituation dies wirklich erfordert“, resümiert Kerbl.
Quellen: Pediatrics, University of Vermont, JAMA Pediatr., Minerva Pediatr, ÖGKJ
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