Das Zentrum für Virologie an der Medizinischen Universität in Wien beobachtet eine deutliche Zunahme der Influenzavirusaktivität in ganz Österreich. Die Grippewelle steht nun vor ihrem Höhepunkt. Eltern sollten noch die Möglichkeit nutzen, ihre Kinder kostenfrei impfen zu lassen. Seit diesem Winter ist die kostenfreie Influenzaimpfung für Kinder ab dem vollendeten 6. Lebensmonat und Jugendliche erstmals in ein neues, bundesweit einheitliches öffentliches Impfprogramm integriert. „Ältere Menschen, Kleinkinder, Schwangere und Menschen mit chronischen Erkrankungen können besonders schwerwiegende Komplikationen einer Influenza erleiden, aber niemand ist davor gefeit. Lungenentzündung, Herzmuskelentzündung und Gehirnentzündung können im schlimmsten Fall zum Tod führen“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Hans Jürgen Dornbusch, Leiter des Referates Impfkommission der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ).
Kinder spielen bei der Ausbreitung von Influenzaviren die zentrale Rolle
Von der Impfung gegen Influenza profitieren nicht nur Kinder selbst, sondern auch Personen anderer Altersgruppen, denn Kinder tragen entscheidend zur Verbreitung der Grippeviren bei. Sie haben oft engen Kontakt zu gefährdeten älteren Personen, und zwar zu ihren Großeltern. Darüber hinaus scheiden sie größere Virusmengen und mit 10–15 Tagen deutlich länger aus als Erwachsene. „Leider wird sowohl die Schwere der Erkrankung (mit z. B. im Vorjahr geschätzten 4000 Todesfällen, darunter leider auch einige Kinder) als auch die Wirksamkeit der Influenzaimpfung immer noch zu wenig wahrgenommen“, bedauert Dr. Dornbusch. „Geimpfte können – ähnlich wie nach COVID-Impfung – erkranken, aber wesentlich milder und durchwegs ohne Komplikationen, Spitalaufenthalt oder gar fatalen Verlauf.“ Bei Erstimpfung bis zum vollendeten 9. Lebensjahr sind zwei Impfungen (im Abstand von mindestens vier Wochen) nötig, dann eine Impfung jährlich. Für Kinder und Jugendliche ab dem vollendeten 2. Lebensjahr steht der tetravalente, intranasale Lebendimpfstoff (Nasenspray) zur Verfügung.
Details zum Influenza-Impfprogramm finden Interessierte unter: https://impfen.gv.at/impfungen/influenza
Angesichts der erfahrungsgemäß noch länger andauernden „Grippewelle“ sollten die noch vorhandenen beträchtlichen Impfstoffreserven dringend genützt werden; der Impfschutz beginnt nach etwa 10 Tagen.
Sowohl von Influenza als auch von Keuchhusten sind derzeit neben Österreich auch noch andere europäische Länder betroffen. Bei Keuchhusten sind Säuglinge die höchst gefährdete Altersgruppe, die vor allem von ungeimpften älteren Kindern und Erwachsenen infiziert werden kann.
Europaweite Häufung von Keuchhustenausbrüchen
In vielen europäischen Ländern einschließlich Österreich ist ein Wiederaufflammen des Keuchhustens zu beobachten. Dänemark, Belgien, Tschechien, Norwegen, Schweden, Kroatien und Spanien melden einen deutlichen Anstieg der Fälle – auch mit Todesfällen. Keuchhusten oder Pertussis ist eine hochansteckende Atemwegserkrankung, die über winzige Tröpfchen mit der Atemluft von Mensch zu Mensch übertragen und durch das Bakterium Bordetella pertussis verursacht wird. 2021 und 2022 gab es, bedingt durch die Schutzmaßnahmen während der Corona-Pandemie, in Österreich nur 129 und 164 Fälle, 2023 allein im 3. Quartal 931. „Schon vor der Coronapandemie zeichnete sich bereits eine steigende Tendenz ab, die sich nun bedauerlicherweise fortsetzt, obwohl dies durch Impfungen vermeidbar wäre. Am schwersten erkranken Säuglinge unter 6 Monaten – aufgrund ihrer kleinen Atemwege und weil erst bis dahin ein guter Impfschutz durch die ersten beiden Teilimpfungen aufgebaut werden kann“, erklärt Dr. Dornbusch. „Aber auch in diesem kritischen ersten Lebenshalbjahr können Kinder durch die in der Schwangerschaft empfohlene Keuchhustenimpfung und Übertragung der mütterlichen Antikörper über die Plazenta sehr effektiv geschützt werden.“
Ältere Kinder und Erwachsene ohne Auffrischimpfung können Säuglinge unbemerkt anstecken
Erwachsene oder ältere Kinder, die keine Auffrischimpfung bekommen haben und sich nicht bewusst sind, dass es sich bei ihrem Husten um Keuchhusten handelt, können kleine Kinder infizieren. Keuchhusten verläuft bei älteren Kindern und Erwachsenen oft mild und nicht mit so heftigen Hustenanfällen und Erbrechen wie bei jüngeren Kindern. Der Husten verschlimmert sich häufig nachts und kann bis zu 10 Wochen oder länger anhalten – in China ist Keuchhusten deshalb als "100-Tage-Husten" bekannt.
Personen im Umfeld von Säuglingen sollten unbedingt gegen Pertussis geimpft sein. Die während der Pandemie weiter gestiegene Impfskepsis erhöht das Keuchhustenrisiko bei Säuglingen und Kindern. Ähnlich wie in anderen europäischen Ländern verzeichnete auch Österreich besonders viele Erkrankte bei den 5- bis 9-Jährigen, gefolgt von den 15- bis 19-Jährigen sowie den 40- bis 49-Jährigen. Dabei bleiben vermutlich immer noch viele Fälle unentdeckt. „Die genannten Altersgruppen sind eine wichtige Infektionsquelle für Säuglinge“, ergänzt Dr. Dornbusch.
Wichtiger Test noch keine Kassenleistung
Nur mithilfe eines Nasen-Rachen-Abstrichs mit darauffolgendem PCR-Test (Polymerase-Kettenreaktion; englisch: polymerase chain reaction) kann ein Labor die Erkrankung im Anfangsstadium sicher nachweisen. Antikörper im Blut lassen sich erst nach etwa drei Wochen ermitteln. Frühzeitige Erkennung und Behandlung können Dauer und Schweregrad des "100-Tage-Hustens“ deutlich verringern. Später eingesetzt haben Antibiotika keinen Einfluss mehr auf den Verlauf, verkürzen jedoch die Zeit der Ansteckungsfähigkeit. Leider müssen Eltern bzw. Patient*innen die PCR-Untersuchung (ca. € 50) meist selbst bezahlen. Dies verhindert häufig eine rechtzeitige Diagnose und trägt so zur Keuchhustenverbreitung bei.
Die Grundimmunisierung gegen Keuchhusten ist im 3., 5. und 11. bis 12. Lebensmonat (im Rahmen der Sechsfachimpfung) empfohlen. Um den Impfschutz aufrechtzuerhalten, ist eine Auffrischimpfung ab dem 6. Geburtstag (möglichst vor Schulbeginn) mit einem Vierfachimpfstoff (Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio) und dann alle 10 Jahre erforderlich.
Auch Schwangere sollten sich gegen Keuchhusten impfen lassen, bevorzugt im 3. Trimenon (27. - 36. Schwangerschaftswoche). Es ist nicht allen werdenden Müttern bekannt, dass die Ärztin/der Arzt sie unabhängig vom Abstand zur letzten Impfung gegen Pertussis in Form einer Dreifach- (Diphtherie, Tetanus, Pertussis) oder Vierfachimpfung (Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio) immunisieren kann.
Quellen: J Clin Med., BSGPK (1, 2), ECDC (1, 2), Euro Surveill., BMC Infect Dis., Ital J Pediatr., Zentrum für Virologie an der Medizinischen Universität in Wien
_____________
Dies ist eine Pressemeldung der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ). Der Abdruck dieser Pressemeldung oder von Teilen des Artikels ist unter folgender Quellenangabe möglich: www.kinderaerzte-im-netz.at. Bei Veröffentlichung in Online-Medien muss die Quellenangabe auf diese Startseite oder auf eine Unterseite des ÖGKJ-Elternportals verlinken. Fotos und Abbildungen dürfen grundsätzlich nicht übernommen werden.