Seit dem Start der Netflix-Serie "Tote Mädchen lügen nicht" wird im Internet vermehrt nach dem Begriff „Selbstmord“ gesucht

Seit dem Start der umstrittenen Netflix-Serie „13 Reasons why“ bzw. „Tote Mädchen lügen nicht“ - eine Serie, die den Selbstmord eines fiktiven Teenagers darstellt – nahm die Google-Suche nach dem Begriff „Suicide“ (Selbstmord) deutlich zu. Darüber berichten Forscher in einem aktuellen Bericht in „JAMA Internal Medicine“.

© Patryssia - Fotolia.com

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Um die Auswirkungen der Serie zu beurteilen, nutzten die Ermittler ein analytisches Tool namens Google-Trends, um die Suche nach dem Begriff "Selbstmord" (bzw. „Suicide“, da die Experten das Internetverhalten der englisch sprechenden Bevölkerung untersuchte) und damit verbundenen Begriffen unmittelbar nach der Ausstrahlung der ersten Folgen der Serie (vom 31. März bis 18. April 2017) zu verfolgen.

Die Forscher fanden heraus, dass die Suche nach dem Begriff „Selbstmord“ insgesamt um 19% zunahm. An einigen Tagen stieg die Suche auf 15 bis 44% über die normale Suchquote. Die meisten Ausschläge erreichten die Suchanfragen bei der Suche nach Informationen darüber, wie man Selbstmord verüben kann. Zum Beispiel erhöhte sich die Eingabe "wie Selbstmord begehen" („how to commit suicide“) um 26%, während "Selbstmord begehen" („commit suicide“) um 18% zunahm. "Wie man sich selbst umbringt" („How to kill yourself“) wurde um 9% öfter eingegeben. Die Suche nach einer „Hotline“ bzw. "Hotline Nummer" für Selbstmord stieg ebenfalls um 21 bzw. 12%.

Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation missachtet

"Die Weltgesundheitsorganisation hat strenge Richtlinien für die Darstellung von Selbstmord in den Medien nahegelegt. Einen Selbstmord zu zeigen, den Selbstmord des Opfers in den Mittelpunkt zu stellen oder andere für den Selbstmord des Opfers verantwortlich zu machen, davon raten alle führenden Persönlichkeiten im Gesundheitswesen ab“, erklärte Professor Dr. John Ayers von der San Diego State University Graduate School of Public Health in einem Interview mit HealthDay. "Die Serie hat möglicherweise viele dazu inspiriert, ihre Selbstmordgedanken weiter zu verfolgen, indem sie Informationen darüber sammelten, wie man Selbstmord begehen kann. ‚Tote Mädchen lügen nicht‘ ist leider ein deutliches Beispiel dafür, wie die WHO-Medienstandards ignoriert werden, was zu unbeabsichtigten, aber schlimmen Konsequenzen führt."

Deutsche Verbände fordern Absetzung der Serie

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) warnt ebenso vor der Netflix-Serie "Tote Mädchen lügen nicht" und forderte die sofortige Absetzung aus dem Programm. Wie auch die Fachverbände der Kinder- und Jugend- und auch Erwachsenenpsychiater, so sehen auch Kinder- und Jugendärzte in der Serie eine große Gefahr insbesondere für psychisch kranke und labile junge Menschen. „Medial präsentierte Suizide ziehen häufig Nachahmertaten nach sich: der so genannte Werther-Effekt“, so der Verbandssprecher.

Risikofaktoren können vielfältig sein

Das Risiko für Selbstmord wird häufig bei labilen Jugendlichen in Kombination mit äußeren Umständen erhöht.

Selbstmord ereignet sich relativ selten, und es ist schwierig genau zu prognostizieren, wer letztlich Selbstmord begehen wird. Allerdings gibt es einige mögliche Warnzeichen wie:

  • Jugendliche sprechen über Selbstmord und Tod.
  • Jugendliche hatten kürzlich ein belastendes Erlebnis: Tod eines Nahestehenden, Scheidung, Trennung, gebrochene Beziehung.
  • Verlorenes Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl, Verlust des Interesses an Freunden, Hobbys oder Aktivitäten, die Jugendlichen zuvor wichtig waren.
  • Veränderung der Persönlichkeit: Jugendlicher wirkt traurig, zurückgezogen, gereizt, ängstlich, müde, unentschlossen, apathisch.
  • Veränderung im Verhalten: Jugendlicher kann sich nicht auf Schul-, Arbeits- oder Routineaufgaben konzentrieren.
  • Veränderung im Schlafverhalten: Schlaflosigkeit, frühes Aufwachen oder Verschlafen, oder Alpträume.
  • Veränderung der Essgewohnheiten: Appetitlosigkeit und Gewichtverlust oder Überessen.
  • Angst, die Kontrolle zu verlieren: Jugendlicher handelt unberechenbar, gefährdet sich selbst oder andere.
  •  Niedriges Selbstwertgefühl: Jugendlicher hat das Gefühl wertlos zu sein, empfindet ein überwältigendes Schuldgefühl, hasst sich selbst, "jeder wäre ohne mich besser dran."
  • Keine Hoffnung für die Zukunft: Der Jugendliche glaubt, dass es nie besser werden wird oder sich niemals etwas ändern wird.

Quelle: HealthDay, JAMA Internal Medicine (1, 2), APA