Weltstillwoche in Österreich: Warum die ersten Wochen nach der Geburt entscheidend sind

Die ersten Tage und Wochen nach der Geburt entscheiden maßgeblich darüber, ob und wie lange eine Mutter ihr Kind stillt. Forschungsergebnisse zeigen, dass frühe Unterstützung, Aufklärung und positive Still-Erfahrungen in den ersten Lebenswochen zentrale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Stillbeziehung sind.

 „Unterstützung gleich zu Beginn macht den Unterschied – gelingt der Start, dann steht erfolgreichem Stillen so gut wie nichts mehr im Wege“, erklärt A.Univ.-Prof. Dr. Daniela Karall, IBCLC, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ), anlässlich der Weltstillwoche vom 1. bis. 7. Oktober in Österreich.

„Voraussetzung für eine entsprechende Milchbildung ist die biologische Vorbereitung der Brustdrüsen, die bereits in der Schwangerschaft beginnt. Weitere entscheidende Phasen finden in den ersten Tagen, nach ein bis zwei Wochen und in den weiteren Monaten statt“, verdeutlicht A.Univ.-Prof. Dr. Karall, stv. Direktorin der Universitätsklinik für Pädiatrie I an der Medizinische Universität Innsbruck. Sie ist u.a. Expertin im Bereich Stillen, IBCLC (= International Board Certified Lactation Consultant) und setzt sich für die Unterstützung von stillenden (und auch nicht stillenden) Müttern ein.

Manche körperlichen Gründe können den Stillbeginn erschweren. So deuten Studien darauf hin, dass Übergewicht und Adipositas, Diabetes, Bluthochdruck und Präeklampsie einen um 24-48 Stunden verzögerten Einsatz der Milchbildung bewirken. Betroffene Mütter bedürfen der entsprechenden Aufklärung und einer besonderen Aufmerksamkeit, um diese ersten Tage gut zu bewältigen und den Stillstart erfolgreich zu erleben. Vonseiten des Babys können Saugprobleme, die z.B. durch das Vorliegen eines zu kurzen Zungenbandes oder eine (Lippen-Kiefer-)Gaumen-Spalte entstehen, ursächlich für Probleme beim Stillen sein.

Stillen als Grundlage für einen gesunden Start

Muttermilch ist mehr als nur Nahrung – sie ist ein hochkomplexes, individuell angepasstes „lebendiges“ Lebensmittel. Sie enthält nicht nur die optimale Nährstoffzusammensetzung, sondern auch Antikörper, Hormone und bioaktive Substanzen, die das Gedeihen und Immunsystem des Kindes stärken und ihm helfen, Infektionen vorbeugen.

Zahlreiche wissenschaftliche Gesellschaften empfehlen deshalb ein ausschließliches Stillen für etwa sechs Monate und – je nach Wunsch von Mutter und Kind – ein Weiterstillen mit ergänzender Beikost bis ins zweite Lebensjahr und darüber hinaus. Dabei verändert sich die Zusammensetzung der Muttermilch gemäß dem Alter des Kindes und passt sich den aktuellen Bedürfnissen an.

Unmittelbare gesundheitliche Vorteile für das Kind sind eine bessere Verdauung, ein altersentsprechendes Gedeihen, ein geringeres Risiko für Atemwegs- und Darminfektionen. Längerfristig senkt beim Kind Stillen das Risiko für spätere chronische Erkrankungen wie Allergien, Adipositas, Typ-1-Diabetes oder entzündliche Darmerkrankungen. Eine aktuelle große Kohortenstudie aus Südkorea zeigt, dass Kinder, die in den ersten vier bis sechs Monaten ausschließlich gestillt wurden, ein deutlich geringeres Risiko für eine verfrühte Pubertätsentwicklung („central precocious puberty“) haben – ein Faktor, der langfristig auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs beeinflusst.

Stillen wirkt sich auch positiv auf die kognitive und soziale Entwicklung aus. Eine Studie mit über 240 Kindern zeigte, dass gestillte Kinder im Alter von zwölf Monaten deutlich bessere soziale Kompetenzen aufwiesen als jene, die mit Formula ernährt wurden.

Stillen stärkt auch die Mutter

Während die Vorteile für das Kind gut dokumentiert sind, sind sie für die Mütter weniger bekannt. Dabei profitieren auch Mütter in vielfacher Weise. Stillen senkt nachweislich das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs, unterstützt die Rückbildung nach der Geburt, reduziert Blutungen und wirkt sich positiv auf die psychische Gesundheit aus. Studien weisen zudem auf einen schützenden Effekt gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen im späteren Leben hin.

In Österreich bekommen nach der ersten Woche nur noch knapp über die Hälfte der Babys ausschließlich Muttermilch

Trotz der belegten Vorteile werden in Österreich nur 1,9% der Säuglinge mit sechs Monaten ausschließlich gestillt – weltweit sind es im Vergleich dazu 48%.

In der SUKIE-Studie (Studie zum Stillverhalten und zur Kinderernährung in Österreich - erhoben 2020) zeigte sich, dass in Österreich zu Beginn noch 97,5% Babys ausschließlich Muttermilch erhalten, diese Rate in den ersten Lebenswochen auf 55,5% sinkt. Zudem erhält bereits die Hälfte der Kinder in den ersten drei Tagen Milchfertignahrung zugefüttert.  

„Die Weltstillwoche bietet daher eine wichtige Plattform, um aufzuklären, Vorurteile abzubauen und sowohl Müttern als auch deren Umfeld Wissen und Unterstützung zu vermitteln“ betont A.Univ.-Prof. Dr. Karall, IBCLC.

Untergesundheit.gv.at finden junge Eltern und Interessierte kostenlose Angebote und Informationsmöglichkeiten, wie z.B. das Video "Stillirrtümer – richtig oder falsch?" oder das Kursangebot  „Richtig essen von Anfang an“ u.a. mit Workshops für werdende und neue Eltern. Konkret zum Stillen bietet der Verband der Still- und Laktationsberaterinnen Österreich eine Videoserie an: https://www.stillen.at/stillberatung/richtig-stillen-von-anfang-an/; z.T. in mehreren Sprachen.

Quellen:

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Dies ist eine Pressemeldung der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ). Der Abdruck dieser Pressemeldung oder von Teilen des Artikels ist unter folgender Quellenangabe möglich: www.kinderaerzte-im-netz.at. Bei Veröffentlichung in Online-Medien muss die Quellenangabe auf diese Startseite oder auf eine Unterseite des ÖGKJ-Elternportals verlinken. Fotos und Abbildungen dürfen grundsätzlich nicht übernommen werden.